Grobe Fehler bei der Betreuung von rückenerkrankten Patienten

MANNHEIM – Ihr Rücken ist ja ganz schön kaputt! Mit solch unüberlegten Aussagen schicken deutsche Kollegen ihre Patienten auf den Weg einer chronischen Schmerzkarriere.

Dicke Krankenakten, unzählige Arztkontakte, teure Diagnostik, lange Krankschreibungen – was läuft schief in der Versorgung von Patienten mit nicht spezifischen Rückenschmerzen? Um dies zu klären, untersuchten Göttinger Wissenschaftler die „Patientenwege“ von 60 Personen mit chronischen bewegungsbezogenen Schmerzen. Deren Patientenkarrieren bis zur Einweisung in eine schmerztherapeutische Einrichtung verfolgten T.Helbing und Kollegen von der Universitätsklinik für Anästhesie, Göttingen. Probleme, so stellte sich heraus, betreffen insbesondere eine unnötige Diagnostik: 85% der Studienteilnehmer wurden im Zeitraum von drei Jahren im Mittel viermal geröngt. Für mehr Schaden als Nutzen dürfte auch die inadäquate Kommunikation der Röntgenbefunde gesorgt haben. Mehr als zwei Drittel der Patienten erhielten die Information, dass ihr Rücken „kaputt“ sei. Die psychosozialen Risikofaktoren interessierte die behandelnden Ärzte dagegen offenbar wenig: nur 37,5% der Rückengeplagten hatten sie zu ihrer beruflichen Situation befragt. Und in lediglich 12,5% der Fälle erkundigten sich die Behandler nach dem familiären Umfeld. Fehlangabe lautete das Ergebnis auch hinsichtlich der Aufklärung über Rückenschmerzen oder der Aufforderung zu intensiver körperlicher Aktivität. Lieber verordneten die behandelnden Ärzte Schmerzmittel oder Reizstrom bzw. verabreichten Injektionen. Zwischen den Leitlinienvorgaben und der Realität bei der Betreuung von Rückenschmerzpatienten klafft somit eine riesige Lücke, so das Resümee der Studienautoren beim Deutschen Schmerzkongress.

aus: MT, 11/2010